Liebe Familie, liebe Freunde!
Nun ist es endlich soweit! Unsere Weltumsegelung beginnt!
Am 19.12. schleichen wir uns morgens um 7 Uhr kurz vor Sonnenaufgang und bei Hochwasser aus unserer Marina in Ruskin (westliches Florida). Kein Abschiedskommando steht am Dock, wie es bei einer Reise dieser Größenordnung eigentlich üblich ist. Das hatten wir wegen der frühen Stunde auf den Vortag verlegt. Beim Ablegen sind wir noch etwas angespannt, denn wir haben dichten Morgennebel und können die Markierungsbojen des Kanals, der uns durch viele Flachs hinaus in die Tampa-Bay führen soll, nur schwer ausmachen. Aber wir haben die Route vorher in den GPS programmiert und müssen uns nur haargenau danach richten. Als wir dann nach einer Stunde in tiefem Wasser sind, fällt alle Nervosität von uns ab und wir können uns an der wunderschönen Morgenstimmung erfreuen. Wieder werden wir von Delfinen begleitet, die vor unserem Bug zickzack ihre Bahnen schwimmen, so, als wollten sie uns den rechten Weg zeigen. In der Ferne schälen sich die Wolkenkratzer von Tampa und die eindrucksvolle Sunshine Skyway Bridge aus dem Nebel heraus. Die Sonne beginnt unser vom Nachttau noch nasses Deck zu trocknen. Wir sind frei!
In den vergangenen 9 Wochen seit unserer Ankunft am 15.Okt. haben wir intensiv am Schiff gearbeitet. Nicht einen Pausentag haben wir uns gegönnt. Eine lange Liste von großen und kleinen Verbesserungen wurde nach und nach abgehakt. Ein neuer Herd, eine elektrische Toilette und ein zusätzlicher, starker Autopilot wurden eingebaut. Allein letzterer hat gute zwei Wochen in Anspruch genommen und viel Zeichenarbeit, Winkelberechnungen, Sägen, Flexen und Bohren erfordert. Nun funktioniert er einwandfrei! Die alte rostige Ankerkette, immerhin 80 m lang und 240 kg schwer, haben wir vom Schiff übers Dock zu unserem Mietauto gehievt und zum Schrotthändler (don´t call him junk dealer!) gebracht. Die neue, ebenso lang und schwer, wurde nach am selben Tag aufs Schiff gewuchtet, da war ein ordentlicher Muskelkater am Abend vorprogrammiert.
Endlos viele Gegenstände sind an Bord gewandert. Darunter so wichtige wie eine Rettungsinsel ($ 2000, neu) und so unwichtige wie ein Bügeleisen ($ 3, gebraucht).
Wegen der ungewöhnlich kalten Witterung in den letzten Wochen (oft waren die Temperaturen nachts nur einstellig) gehören nun auch ein Heizlüfter und ein Heizkissen zu unserer Ausrüstung. Aber wir haben ja eine Unmenge Platz an Bord. Unser Boot liegt jetzt ca. 5 cm tiefer im Wasser. Ein großes Maß an Gewicht nehmen natürlich die Vorräte ein. Allein 250 Dosen Leicht-Bier (wegen des geringeren Gewichts, haha) lagern im Vorschiff, und eine Art Weinkeller haben wir jetzt auch. Aber nur zu besonderen Anlässen (Frank meint gerade, die werden vom Kapitän definiert) wird eine Flasche geöffnet!
Insgesamt haben wir uns gut 5 Monate in Ruskin aufgehalten und uns ausgesprochen wohl in dieser ländlichen und nicht touristischen Umgebung gefühlt. Freundschaften mit Amerikanern sind entstanden und viele Vorurteile verschwunden, manche haben sich dagegen bewahrheitet. Immer wieder positiv überrascht sind wir von der Höflichkeit der Menschen, und wir erfahren sehr viel ernst gemeinte Hilfsbereitschaft. Die oft zitierte Oberflächlichkeit der Amerikaner können wir nicht bestätigen. Und die Menschen sind hier, zumindest aus unserer Sicht, ausgesprochen deutsch-freundlich.
Nun sind wir also unterwegs. Momentan liegen wir in einem wunderschönen Naturpark in der südlichen Tampa-Bay vor Anker und warten auf einen guten Wind, der uns 110 Seemeilen weiter südlich nach Naples bringen soll. Dort werden wir auch Weihnachten feiern, ganz amerikanisch mit Truthahn, der schon gestückelt im Eisfach lagert. Weiter geht es dann über die Florida Keys in die Bahamas. Dort werden wir die erlaubten 3 Monate verbringen. Anfang April sind wir in den Turks and Caicos Islands und haben über Ostern unseren alten Segelfreund Benno mit seinem Sohnemann an Bord. Dann sind weitere Land(über)fälle in der Dominikanischen Republik, in Puerto Rico und den Virgin Islands geplant. Kurz vor Beginn der nächsten Hurrikan-Saison geht es in einem Rutsch ca. 500 Seemeilen weit quer übers karibische Meer nach Curacao (ABC-Inseln). Von dort soll Anfang Juli der Flug in den Heimaturlaub starten. Denn dann sind wir bestimmt urlaubsreif, haha!
Das wäre der erste Abschnitt unserer großen Reise, über die wir Euch wie gewohnt auf dem Laufenden halten. Emails können wir nicht immer zeitnah beantworten. Wir sind ja stets auf ein freies WLAN angewiesen, das zudem noch in der erforderlichen Stärke auf unserem Boot ankommen muss. Aber es ist sowieso schon unglaublich, was uns die Technik alles ermöglicht. Fehlt nur noch der Atomantrieb, der uns unabhängig vom Dieselöl macht!
Wir wünschen Euch aus der Ferne das, was auf dem anhängenden Foto steht, und grüßen Euch ganz herzlich
Eure Seebären Dörte & Frank
P.S.
Noch hatten wir keine Möglichkeit, diese Email abzusetzen. Heute ist Heiligabend und wir liegen nicht wie geplant in Naples, sondern 50 Seemeilen weiter südlich im Everglades Nationalpark in den Ten Thousand Islands (25°48.82 N / 081°27.67 W). Die werden wir jetzt alle erkunden. Vorgestern Mittag sind wir gestartet bei Nordost Windstärke 5-6, später in Böen sogar bis 7. Wir machten Rauschefahrt bei moderater Welle wegen der Landabdeckung. Da wir in Naples weit vor Sonnenaufgang angekommen wären, sind wir kurzerhand bis hierher weiter gesegelt. Eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 6 Knoten für die insgesamt 160 Seemeilen ist schon ganz beachtlich für unsere doch recht schwerfällige, aber sehr seetüchtige ELAN.
Nun warten wir darauf, dass sich der immer noch starke Wind etwas legt und wir mit dem Dingi (Beiboot) durch das Gewirr der Mangroveninseln ins 5 Seemeilen entfernte Everglades City fahren können. Dort haben wir hoffentlich Internet-Empfang und können diese Email abschicken.